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Die Schlacht von Verdun 1916


I. Die Strategie von Erich von Falkenhayn

Am 14.September 1914, nach dem feststeht, dass der Schlieffenplan gescheitert ist, wird Helmuth von Moltke der jüngere als Chef des Generalstabes abgelöst, und durch Erich von Falkenhayn ersetzt. Dieser durchaus dynamische General wird von diesem Tage bis zum 28.August des Jahres 1916 die Geschicke des deutschen Feldheeres leiten. Falkenhayn sieht, dass nun mit einer raschen Beendigung des Krieges nicht mehr gerechnet werden kann. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten, die von Tag zu Tag wächst, ist ihm durchaus bewusst. Er erkennt ganz richtig in Russland den schwächeren Teil der Entente, und er weiß, dass solange Deutschland auf 2 Fronten kämpft, man im Westen die Kriegsentscheidung mit den begrenzten zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erzwingen kann. Die Strategie und die Art und Weise der Kampfführung, die dieser General in den nächsten 2 Jahren praktizieren wird, laufen aber seinen eigenen Erkenntnissen strikt zuwider  und können oftmals nur als reines Wunschdenken bezeichnet werden.Dies beginnt schon mit den deutschen Offensiven im Oktober und November 1914 in Flandern, als sich die Front schon längst festgefahren hatte. Rücksichtslos wird hier ein frisches Reservekorps nach dem anderen verheizt, nur um die 2 Kanalhäfen Calais und Dünkirchen zu nehmen, was vielleicht taktische, aber ganz  gewiß nicht kriegsentscheidende Bedeutung gehabt hätte. So werden durch dieses unnütze „herumbataillieren“ starke deutsche Kräfte verschlissen, die derweil im Osten dem russischen Feldheer anlässlich einer einmalig günstigen  Gelegenheit ein Debakel hätten bereiten können. Falkenhayn will, bevor er sich dem Osten zuwendet, unbedingt noch erst die Kräfte der Westalliierten „abnutzen“.Im Kriegsjahr 1915 können die Mittelmächte im Osten beträchtliche Erfolge erzielen. Während man nun im Westen, abgesehen von dem Angriff bei Ypern im April, defensiv bleibt. Doch auch in der Defensive laufen die Maßnahmen Falkenhayns dem Bewusstsein einer zahlenmäßigen Unterlegenheit und dem Gebot der Kräfteschonung zuwider. Ohne Rücksicht auf Verluste wird stur jede Stellung, jedes Grabenstück mit letztem Einsatz verteidigt, auch wenn die Stellung ungünstig gelegen ist oder die taktische Lage ein Ausweichen gebietet. Zu diesem Zweck werden die deutschen Kräfte in der 1. Linie massiert, während die Reserven in der Tiefe oft unzureichend sind und erst im letzten Moment freigegeben werden. Die Masse der deutschen Truppen ist damit von Anfang an im Wirkungsbereich der alliierten Artillerie. Für eine Erlaubnis zu begrenzten Absetzbewegungen durch untergeordnete Führer kann man sich nicht entschliessen, da man die Truppe nicht zum „Ausreissen“ animieren will.

 


 

So erleidet die Verteidigung oft unnötig hohe Verluste.Das Kriegsjahr 1916 schließlich bringt die fragwürdigste Geburt Falkenhayn´scher Strategie hervor: die „Ausblutungsschlacht“  von Verdun. Hier plant der Feldheer eine lang anhaltende Zermürbungsschlacht gegen die Franzosen. Er will durch viele, mit recht geringem Infanterieeinsatz geführte Angriffe, die jeweils durch ein gewaltiges Artilleriefeuer vorbereitet werden, starke französische Kräfte nach Verdun locken. Er beabsichtigt hierbei anfangs nicht unbedingt die Einnahme von Verdun (im Gegensatz zu dem mit der Durchführung des Angriffs betrauten Armeeoberkommando), sondern will auf dem Ostufer rasch eine günstige Höhenstellung besetzen, gegen die die Franzosen dann verlustreiche Gegenangriffe führen. Der deutsche Angriff wird mit enggesteckten Tageszielen, ohne Ausnutzung günstiger Gelegenheiten, und ohne große Hast geführt. So stehen die deutschen Truppen 4 Tage nach dem Beginn des Angriffs gerade mal am Rande des eigentlichen Festungsgürtels. Währenddessen rollen ununterbrochen französische Verstärkungen nach Verdun. Dass dem Gegner an Personal und Material an der Westfront viel mehr zu Gebote steht als den Deutschen, und dass die deutschen Truppen bald ohne feste Stellungen einen gleichstarken oder stärkeren Gegner angreifen müssen, der im Besitz der meisten Festungswerke ist, während die deutsche Truppe im Trichterfeld liegt, scheint von Falkenhayn in seiner Logik nicht beirrt zu haben. Er rechnet fest damit, dass es den Deutschen so gelingen werde, dem Gegner ein Verlustverhältnis von 3:1 beizubringen. Unternehmen "Gericht", so die Bezeichnung des Angriffs, ist mit zu geringem Kräfteansatz sowie der Beschränkung des Angriffs auf das östliche Flussufer nichts Halbes und nichts Ganzes. Viele Historiker sind der Meinung, dass bei einem frühen Großangriff auf beiden Ufern die Einnahme eines Großteil des Festungsgeländes möglich gewesen wäre. Worauf französische Gegenangriffe mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt wären, mit günstigerem Verlustverhältnis. Als festgestellt wird, dass es nicht plangemäß läuft, wobei Falkenhayn die französischen Verluste viel höher einschätzt, als sie tatsächlich sind, ist es längst zu spät: das Geschehen hat seine eigene Dynamik entwickelt. Durch das Prestige, dass die Franzosen der Verteidigung von Verdun beimessen müssen die Deutschen nun unbedingt doch noch einen Erfolg, sprich die Einnahme von Verdun, erzielen. So brennen hüben wie drüben die besten Bataillone Deutschland´s und Frankreich´s zur Schlacke aus. Als dann die Briten Ende Juni an der Somme angreifen, die Russen bereits am Anfang des Monats ihre Brussilow-Offensive gegen die Mittelmächte begonnen haben und im August sich Rumänien der Entente anschließt, ist die Krise perfekt.
Dennoch kann man die Absicht Falkenhayn´s, bei Verdun Anfang 1916 anzugreifen, nicht grundsätzlich verdammen. Frankreich hatte diesen Frontabschnitt Anfang 1916 auf das leichtsinnigste geschwächt. Wenn man die Krisen der französischen Verteidiger in den ersten Tagen der Schlacht betrachtet, erscheint es offensichtlich, dass bei größerem Kräfteansatz sowie einem Angriff auf beiden Flussseiten und energischer Ausnützung der erzielten Durchbrüche die Besetzung eines Großteiles des Festungsgeländes möglich gewesen wäre. Wäre man dann, im Besitz der meisten Festungen, zur Defensive übergegangen und hätte auf die mit Sicherheit erfolgenden französischen Gegenangriffe gewartet, hätte man wahrscheinlich ein sehr viel günstigeres Verlustverhältnis erzielt, zumindest aber starke französische Kräfte vor Verdun gebunden, die dann für die geplante alliierte Offensive an der Somme gefehlt hätten. So hätte diese Offensive, als strategisches Ablenkungsmanöver verstanden, durchaus Sinn gemacht. So wie es aber lief, kann man die Schlacht von Verdun aus deutscher Sicht wohl nur als den Bankrott Falkenhayn´scher Kriegführung ansehen. 

 


 

II. Unternehmen Gericht

Mitte Dezember 1915 legt Falkenhayn dem Kaiser eine Denkschrift vor, in der er ausführt, dass im Westen die deutschen Kräfte für einen Durchbruch mit anschließendem Bewegungskrieg nicht ausreichen. So plant er durch eine begrenzte Offensive mit geringem Infanterie- und starkem Artillerieeinsatz das französische Heer 1916 „auszubluten“, um so England seines „Festlandsdegen“ zu berauben. Zuerst zieht er hierfür Belfort in Betracht , entscheidet sich dann aber für Verdun. In der Tat ist der Abschnitt Verdun für eine deutsche Offensive in mancher Hinsicht gut geeignet. Zwar ist Verdun eine Festung mit 20 Haupt- und 40 Zwischenwerken, und das Gelände ist waldreich und durchschnitten. Aufgrund der Ruhe an diesem Frontabschnitt haben die Franzosen ihn jedoch stark geschwächt. 43 schwere und 11 leichte Batterien haben die Franzosen hier 1915 zur Unterstützung anderswo abgezogen, und nur die erste Feldstellung ist hier fertiggestellt, während die 2. und 3. Linie nur ansatzweise ausgebaut sind. Der französische Nachrichtendienst kann zwar mit Nachrichten über eine deutsche Offensive aufwarten, das französische  Oberkommando glaubt jedoch, dass diese in der Champagne stattfindet.Für die Durchführung des Angriffs wird die 5. deutsche Armee unter dem Kommando des deutschen Kronprinzen und seines Stabschefs Knobelsdorff vorgesehen. Angriffstermin soll der 12.Februar sein. Falkenhayn begrenzt den Angriff aber vorerst auf das rechte Maasufer, und behält sich die Verfügungsgewalt über die Reserven vor. Für diesen Vorstoß sind 10 Divisionen vorgesehen, im Nordabschnitt stehen auf 13 km Breite 6  ½ Divisionen mit 858 Geschützen. Dem stehen hier 3 französische Divisionen mit 263 Geschützen gegenüber. Insgesamt bietet die deutsche Artillerie an der Verdunfront 1125 Geschütze und 150 Minenwerfer auf, davon sind 33 Geschütze über 30,5 cm Kaliber. 2,5 Millionen Schuss stehen für die ersten Tage bereit. Am 12. Februar beginnt es aber zu regnen und der deutsche Angriff muss bis zum 21.Februar verschoben werden. Die inzwischen misstrauisch gewordenen Franzosen verlegen 4 Reservedivisionen hinter die Verdunfront.Um 8 Uhr 12 Minuten beginnt am 21.Februar die Schlacht um Verdun mit dem deutschen Trommelfeuer. Bis 5 Uhr nachmittags schleudern die deutschen Batterien etwa 1 Million Spreng- und Gasgeschosse auf die französischen Stellungen. Danach treten 18 deutsche Infanterieregimenter zum Angriff an. Stellenweise rücken sie bis zu 3 km vor, ohne auf den geringsten Widerstand zu stoßen, aber im Caures-Wald stoßen die deutschen Angreifer auf verzweifelten Widerstand. Hier verteidigt sich der französische Oberstleutnant Driant mit seinen Jägern. An anderen Stellen fragen sich aber viele Feldgraue warum man sie abends nicht weiter angreifen lässt. Warum soll man nicht weiter vorstoßen an den Stellen an denen der französische Widerstand wankt? Weil dies nicht in das Konzept Falkenhayn´s passt. Am nächsten Tag trommelt die deutsche Artillerie von 8 bis 12 Uhr. Erst dann greifen die Deutschen wieder an. Im Herbebois, im Wavrille-Wald  und im Caures-Wald ist die französische Abwehr noch immer hart, doch einen Tag später erlischt hier der Widerstand. In diesen und den folgenden Tagen beginnt jeweils Punkt 10 Uhr der deutsche Artillerieüberfall und erst gegen Abend tritt die Infanterie zum Angriff an. Am 25. Februar liegen die deutschen Angriffsspitzen endlich vor dem eigentlichen Festungsgürtel. An diesem Tag fällt die Festung Douaumont durch einen Handstreich des Oberleutnants von Brandis mit 100 Mann des 24. Brandenburgischen Infanterieregiments. In der Festung waren nur 70 Mann Territorialtruppen stat der 500  Mann zählenden Standardbesatzung. Bezeichnenderweise gelang dieser Handstreich entgegen dem Befehl nur bis dicht vor die Festung vorzurücken. Dieser 25. Februar wird von den Franzosen als der kritischste Tag der gesamten Schlacht angesehen da die Abwehr mangels Reserven kurz vor dem Zusammenbruch stand. Dies wird aber nicht genutzt. So erstarkt die französische Abwehr wieder. Bis zum 2. März toben erbitterte Kämpfe um das Dorf Douaumont  dann endlich haben die Deutschen es eingenommen. Nun plant man auf deutscher Seite auch auf dem linken Ufer anzugreifen, da sich das französische Flankenfeuer von dort unangenehm bemerkbar macht.Am 6. März greifen die Deutschen auf beiden Flügeln an, auf der rechten Seite wird Fort Vaux, auf der linken die Höhe „Toter Mann“ zum Brennpunkt der Schlacht. General Petain, der mittlerweile zum Befehlshaber der französischen Truppen vor Verdun ernannt wurde, hat inzwischen bedeutende Verstärkungen erhalten. Allein bis zum 28. Februar haben die Franzosen über die „Voie Sacree“, die „heilige Straße“ von Verdun nach Bar-le-Duc, 7 ½ Divisionen und 300 schwere Geschütze herangeschafft. Bis zu 12 000 Lastwagen setzen die Franzosen Mitte 1916 für den Nachschub ein. So viele hat das gesamt deutsche Westheer nicht.Die Deutschen nehmen den „Toten Mann“ erst am 20. Mai ein. Die Artillerie beider Seiten schießt hier die Kuppe von 295 m auf 279 m herunter.Auf dem Ostufer versuchen die Deutschen durch beständige kleine Angriffe schrittweise voranzukommen. Bis zum Juni gewinnen sie aber nur 1 km. Am 2. Juni gelingt es den Deutschen in die Panzerfeste Vaux einzudringen. Aber erst am 7. Juni kapitulieren die letzten Verteidiger nach grauenvollen Kämpfen im Innern der Festung. Zwischen den 23. und 26. Juni nehmen die Deutschen das Dorf Fleury und die Feste Thiaumont. Sie stehen nun 4 km vor Verdun. Der Beginn der Somme-Offensive zwingt zum Abzug deutscher Kräfte.
Im Zeitraum vom 21.Februar bis zum 21. Mai verlieren die Deutschen 174.215 Mann, die Franzosen 190.000 Mann. Die französische Artillerie verbraucht in diesem Zeitraum 9.795.000 Schuß, die deutsche Artillerie über 10.000.000 Schuß.
Am 11. Juli unternehmen die Deutschen auf dem Ostufer noch einen letzten verzweifelten Frontalangriff auf 4 km Breite. Am 12. Juli stehen sie vor der Feste Souville. Hier bricht der Angriff endgültig zusammen, 2,5 km vor Verdun. Die Krisen an anderen Fronten zwingen zum Abbruch des Angriffs und man geht zu Verteidigung über. Die Franzosen führen bis in den Oktober ständige kleine Gegenangriffe. Der Ausbruch des Krieges mit Rumänien am 28. August führt zur Entlassung Falkenhayns und weiterem Abzug deutscher Kräfte vor Verdun. Am 2. September verfügt die OHL die endgültige Einstellung des Angriffs auf Verdun. Die Franzosen bereiten nun einen Großangriff vor.
Bis zum 1. September sind 281.333 Deutsche Verlust. Die Franzosen haben 315.000 Mann verloren. Deutscherseits wäre ein Rückzug in die gutausgebauten Ausgangsstellungen des 21. Februar geboten gewesen. Aber man kann sich nicht zur Preisgabe dieses mit Hekatomben an Menschen eroberten Geländes entschließen.Am 24. Oktober beginnt Petain seinen großen Gegenangriff. Bis zum Douaumont stoßen die Franzosen vor. Die 28 deutschen Verteidiger des Forts strecken die Waffen. Fort Vaux wird am 1.November kampflos geräumt und 2 Tage später von den Franzosen besetzt, Am 15. Dezember greift der mittlerweile zum Befehlshaber ernannte General Nivelle nochmals zwischen der Maas und der Woevre-Ebene an. Die Deutschen werden bis in den Fosses- und den Chaume-Wald zurückgedrängt. In der Zeit vom 1. September bis zum 20. Dezember verlieren die Deutschen 52.498  Soldaten. Die Franzosen verlieren 47.000 Mann. Die Schlacht ist beendet.Innerhalb der dreißig Hauptkampfwochen verfeuerte die deutsche Artillerie 1.350.000 t Granaten vor Verdun. Dies entspricht der Ladung von 2700 Zügen mit jeweils 50 Waggons sowie eine Lok und 1 Tender. Jeder solche Zug wäre etwa 480 m lang. Würde  man diese Züge direkt hintereinander aufstellen, Zug an Zug, so würden sie eine Strecke von Köln über Berlin bis 100 km hinter Warschau blockieren. Eintausendzweihundertundachtzig Kilometer, nur Zug an Zug! Und dies war nur der Munitionseinsatz der deutschen Artillerie, der der französischen Artillerie war dementsprechend. Und dieses Stahlgewitter ging auf eine Fläche von etwa 26.000 Hektar nieder. Pro Hektar lagen nach der Schlacht etwa 50 t Stahlsplitter in und auf der Erde. Bei Grabungen wurden Tote gefunden, die das Trommelfeuer bis zu 10 m tief eingescharrt hatte. Insgesamt gingen ca. 40 Millionen Granaten auf das Schlachtfeld nieder. Macht, af 30 Wochen gerechnet, ca. 190.000 pro Tag, oder ca. 8.000 pro Stunde.
Ca. 150.000 deutsche und ca. 167.000 französische Soldaten wurden bei Verdun erschossen, zerfetzt, verbrannt, verschüttet oder vergast, ca. 187.000 Deutsche und ca. 210.000 Franzosen wurden verwundet. Die Leiden der Soldaten in feldgrau und horizontblau kann man heute kaum noch nachvollziehen. Wochenlang im schlammigen, von Leichen und Leichenteilen übersäten Trichterfeld, wochenlang das Toben der Granaten, wochenlang der Verwesungsgeruch, gegen den sich manche Soldaten Knoblauchzehen in die Nase stopften, wochenlang die erbarmungslosen Kämpfe und die voll gefressenen Leichenratten!
Eine ewige Mahnung gegen Krieg und Völkermord…