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So erleidet die Verteidigung oft unnötig hohe Verluste.Das Kriegsjahr 1916 schließlich bringt die fragwürdigste Geburt Falkenhayn´scher Strategie hervor: die „Ausblutungsschlacht“  von Verdun. Hier plant der Feldheer eine lang anhaltende Zermürbungsschlacht gegen die Franzosen. Er will durch viele, mit recht geringem Infanterieeinsatz geführte Angriffe, die jeweils durch ein gewaltiges Artilleriefeuer vorbereitet werden, starke französische Kräfte nach Verdun locken. Er beabsichtigt hierbei anfangs nicht unbedingt die Einnahme von Verdun (im Gegensatz zu dem mit der Durchführung des Angriffs betrauten Armeeoberkommando), sondern will auf dem Ostufer rasch eine günstige Höhenstellung besetzen, gegen die die Franzosen dann verlustreiche Gegenangriffe führen. Der deutsche Angriff wird mit enggesteckten Tageszielen, ohne Ausnutzung günstiger Gelegenheiten, und ohne große Hast geführt. So stehen die deutschen Truppen 4 Tage nach dem Beginn des Angriffs gerade mal am Rande des eigentlichen Festungsgürtels. Währenddessen rollen ununterbrochen französische Verstärkungen nach Verdun. Dass dem Gegner an Personal und Material an der Westfront viel mehr zu Gebote steht als den Deutschen, und dass die deutschen Truppen bald ohne feste Stellungen einen gleichstarken oder stärkeren Gegner angreifen müssen, der im Besitz der meisten Festungswerke ist, während die deutsche Truppe im Trichterfeld liegt, scheint von Falkenhayn in seiner Logik nicht beirrt zu haben. Er rechnet fest damit, dass es den Deutschen so gelingen werde, dem Gegner ein Verlustverhältnis von 3:1 beizubringen. Unternehmen "Gericht", so die Bezeichnung des Angriffs, ist mit zu geringem Kräfteansatz sowie der Beschränkung des Angriffs auf das östliche Flussufer nichts Halbes und nichts Ganzes. Viele Historiker sind der Meinung, dass bei einem frühen Großangriff auf beiden Ufern die Einnahme eines Großteil des Festungsgeländes möglich gewesen wäre. Worauf französische Gegenangriffe mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt wären, mit günstigerem Verlustverhältnis. Als festgestellt wird, dass es nicht plangemäß läuft, wobei Falkenhayn die französischen Verluste viel höher einschätzt, als sie tatsächlich sind, ist es längst zu spät: das Geschehen hat seine eigene Dynamik entwickelt. Durch das Prestige, dass die Franzosen der Verteidigung von Verdun beimessen müssen die Deutschen nun unbedingt doch noch einen Erfolg, sprich die Einnahme von Verdun, erzielen. So brennen hüben wie drüben die besten Bataillone Deutschland´s und Frankreich´s zur Schlacke aus. Als dann die Briten Ende Juni an der Somme angreifen, die Russen bereits am Anfang des Monats ihre Brussilow-Offensive gegen die Mittelmächte begonnen haben und im August sich Rumänien der Entente anschließt, ist die Krise perfekt.
Dennoch kann man die Absicht Falkenhayn´s, bei Verdun Anfang 1916 anzugreifen, nicht grundsätzlich verdammen. Frankreich hatte diesen Frontabschnitt Anfang 1916 auf das leichtsinnigste geschwächt. Wenn man die Krisen der französischen Verteidiger in den ersten Tagen der Schlacht betrachtet, erscheint es offensichtlich, dass bei größerem Kräfteansatz sowie einem Angriff auf beiden Flussseiten und energischer Ausnützung der erzielten Durchbrüche die Besetzung eines Großteiles des Festungsgeländes möglich gewesen wäre. Wäre man dann, im Besitz der meisten Festungen, zur Defensive übergegangen und hätte auf die mit Sicherheit erfolgenden französischen Gegenangriffe gewartet, hätte man wahrscheinlich ein sehr viel günstigeres Verlustverhältnis erzielt, zumindest aber starke französische Kräfte vor Verdun gebunden, die dann für die geplante alliierte Offensive an der Somme gefehlt hätten. So hätte diese Offensive, als strategisches Ablenkungsmanöver verstanden, durchaus Sinn gemacht. So wie es aber lief, kann man die Schlacht von Verdun aus deutscher Sicht wohl nur als den Bankrott Falkenhayn´scher Kriegführung ansehen.